Autor Mats Wolk ist Geschäftsführer der DENTCYC GmbH www.dentcyc.com
Einmal produziert, sind Kunststoffe nicht mehr so leicht aus der Umwelt zu entfernen. Der ökologische Fußabdruck dieses vielseitigen Materials zeigt sich in Plastikteppichen, die in den Ozeanen treiben, oder in Mikroplastik, welches unsere Nahrungsketten infiltriert. Zudem werden durch Kunststoffe große Mengen an fossilem Kohlenstoff emittiert – denn ein Großteil unseres Kunststoffmülls wird verbrannt. Es gibt also einige Gründe, sich dem Thema Kunststoffe näher zu beschäftigen.
Was ist Kunststoff?
Kunststoff, umgangssprachlich auch Plastik genannt, sind künstlich hergestellte Verbindungen, die durch ihre vielseitigen Einsatzmöglichkeiten und günstige Produktionskosten überzeugen. Für gewöhnlich wird für die Herstellung von Kunststoffen auf fossilbasierte Ressourcen wie Erdöl zurückgegriffen. Dadurch, dass Kunststoffe, wie der Name bereits verrät, künstlich hergestellt sind, kann die Natur solche Verbindungen nicht zersetzen. Die Konsequenz ist, dass wir Kunststoffmüll weiterverwerten müssen – denn solche Materialien überdauern in der Natur mehrere Tausend Jahre. Man spricht dabei von Stofflicher Verwertung, wenn Kunststoffe recycelt werden. Im Jahr 2021 wurden etwa 35% des Kunststoffabfalls in Deutschland stofflich verwertet. Liegt die Lösung daher einfach in der Erhöhung des Anteils der stofflichen Verwertung?
Kunststoffrecycling – gutes Gewissen durch „Kreislaufwirtschaft“
Die Vorstellung ist logisch und einfach zugleich: Wenn wir es schaffen, die Materialien immer wieder zu verwenden, müssen keine neuen Kunststoffe produziert und damit kein neues Erdöl mehr gefördert werden. Doch dieser einfachen Logik widersprechen gleich mehrere Argumente.
Da es sehr viele verschiedene Arten von Kunststoffen mit verschiedenen Eigenschaften gibt, werden die Kunststoffe im aktuellen System zuerst sortiert. Schon bei der Sortierung fallen viele Kunststoffe aus dem Raster, da für einige Verpackungen Verbundmaterialien, also verschiedene Kunststoffe gemeinsam in einer Verpackung, genutzt werden. Übrigens: Wussten Sie, dass man den Aludeckel des Joghurtbechers vom Rest des Kunststoffbechers abtrennen muss, damit diese verschiedenen Materialien recycelt werden können? Oder dass die Folie zum Verschließen der Käseverpackung vor der Entsorgung abgezogen werden sollte, damit beide Materialien, Schale und Folie, wiederverwertet werden können? Vermutlich nicht, daher werden solche Materialien in der Regel aussortiert und energetisch verwertet (= verbrannt).
Nach der Sortierung, die selbst mit modernster Technik keine 100%ige Reinheit des sortierten Materials sicherstellen kann, werden Kunststoffe mechanisch recycelt, also zu kleinen Teilen („Flakes“) zerteilt, damit diese dann weiterverarbeitet werden können. Bei diesem Prozess verlieren Kunststoffe allerdings an Qualität. Die zugrunde liegenden Verbindungen werden instabiler, sodass beispielsweise aus einem Großteil der recycelten PET-Flaschen gar keine Pfandflaschen werden, sondern Fasern und Folien, das Material gar verbrannt oder exportiert wird. In der Konsequenz werden für neue PET-Flaschen vor allem neue Kunststoffe verwendet.
Eine aktuelle Studie stellte zudem fest, dass beim Recyclingprozess zwischen 6 und 13% des Inputmaterials als Mikroplastik über das Abwasser emittiert wird. Dadurch gelangt es über unsere Flüsse in die Meere und über die Nahrungskette auf unseren Teller. Im Schnitt nimmt jeder Mensch circa die Menge einer Kreditkarte an Mikroplastik zu sich – und das jede Woche.
Kunststoffrecycling scheint also derzeit kein geeigneter Weg zu sein, die Neuproduktion von Kunststoff zu verhindern und die Umwelt damit vollständig vom Kunststoffmüll und Treibhausgasemissionen zu entlasten. Zwar mag es uns ein gutes Gewissen verschaffen, wenn wir beim Kunststoffkonsum an das Wunder der Kreislaufwirtschaft glauben, mit der Realität hat das allerdings derzeit nur wenig zu tun. Immerhin: Es ist besser, den vorhandenen Kunststoffmüll zu recyceln, als ihn in die Umwelt zu emittieren oder zu verbrennen. Das führt uns direkt zum nächsten Punkt, der energetischen Verwertung.
Energiegewinnung statt Recycling
Ist Recycling von Kunststoffen nicht möglich, bleibt zumeist die energetische Verwertung. Die Energetische Verwertung bedeutet das Verbrennen von Kunststoffen, um daraus Energie zu gewinnen. Beim Verbrennungsprozess werden jedoch Schadstoffe und Treibhausgase emittiert, die der Umwelt schaden. Wird erdölbasierter Kunststoff verbrannt, wird der mehrere Millionen Jahre alte Kohlenstoff freigesetzt, den wir zuvor aus den Tiefen der Erde abgebaut haben. Die Konsequenz: Der CO2-Anteil in der Atmosphäre steigt.
Biokunststoffe – die Lösung des Problems?
Vermehrt gewinnt Biokunststoff an Bedeutung, auch wenn der Marktanteil weltweit nur auf etwa 1% geschätzt wird. Definiert sind Biokunststoffe durch die beiden Eigenschaften „biobasiert“ und/oder „biologisch abbaubar“.
Für biobasierte Kunststoffe werden keine fossilen Ressourcen für die Herstellung benötigt. Stattdessen bedient man sich der Nutzpflanzen wie Zuckerrohr oder Mais. Im Gegensatz zu fossilbasierten Kunststoffen wird bei der Verbrennung von biobasierten Kunststoffen nur der Kohlenstoff emittiert, den die Pflanzen zuvor der Luft entzogen haben. Damit, so die häufige Argumentation, ist dieser Kunststoff annähernd CO2-neutral. So kann durch den Umstieg auf Biokunststoffe große Mengen an zusätzlichem CO2 in der Atmosphäre eingespart werden.
Die Bezeichnung „biologisch abbaubar“ hingegen trügt den Nachhaltigkeitseindruck: Auf einem Kompost werden diese Kunststoffe nicht abgebaut werden können – dafür sind die Bedingungen nicht „optimal“ genug. Bei industriellen Kompostieranlagen gilt Ähnliches: Die Liegezeiten des Biomülls wären deutlich zu kurz, als dass ein biologisch abbaubarer Biokunststoff dort verrotten würde. Daher ist die biologische Abbaubarkeit von Biokunststoffen zwar gut gemeint, hat aber auf die ökologische Nachhaltigkeit kaum Einfluss. Ganz im Gegenteil: Diese biologisch abbaubaren Kunststoffe können in der Regel von den Recyclingsystemen nicht verwertet werden und daher für die Energiegewinnung genutzt.
Das häufigste Argument gegen die Nutzung von Biokunststoffen ist neben dem höheren Preis auch die Landnutzung. Denn hier konkurrieren Nutzpflanzen für Bioethanol oder Biokunststoff mit dem Nahrungsmittelanbau. Wer allerdings damit argumentiert, sollte diesen Aspekt ebenfalls bei dem Konsum von tierischen Produkten beachten. Etwa 60% der Agrarfläche in Deutschland wird nämlich für den Tierfutteranbau verwendet.
Fazit
Eine abschließende und allgemeingültige Antwort scheint aufgrund der Vielzahl von zu beachtenden Faktoren nicht möglich. Fakt ist allerdings, dass wir schon jetzt Möglichkeiten haben, auf nachhaltigere Kunststoffe zu setzen. Wir kommen aber als Konsument nicht umhin, unsere Gewohnheiten zu überprüfen, wie wir auf Kunststoffe verzichten können und wie wir dafür sorgen, dass Kunststoffe möglichst gut recycelt werden können. So können wir schon jetzt einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft leisten.